Unfassbarer Schlußspurt
Marcel Becker trifft 3 Sekunden vor dem Ende zum glücklichen 25:25 (11:14) gegen Oftersheim/Schwetzingen
Saarlouis. Unfassbare acht Schluss-Minuten retten der HG Saarlouis am Ende eines ihrer schwächsten Spiele gegen die „andere HG“ aus Oftersheim/Schwetzingen noch einen Punkt. Der 25:25-Ausgleich gelingt Marcel Becker 3 Sekunden vor dem Schlusspfiff der überforderten Schiedsrichter Timo Bernhardt und Lars Zick. Und bei fast 700 infarkt-gefährdeten Zuschauern wechselt die Stimmung von „zu Tode betrübt“ zu „erleichterter Freude“.
Philipp Kessler entschuldigt sich beim Trainergespräch nach der Partie bei den Sponsoren und Fans für die schwache Leistung der Mannschaft über 52 Minuten, sein Gegenüber Frank Schmitt meinte, vor der Partie hätte er das Unentschieden sofort unterschrieben, danach müsse man von einem verlorenen Punkt sprechen.
Und in der Tat war es aus Sicht der HG aus Saarlouis diesmal ganz anders, als in den vorangegangenen Spielen. Kam die Schwächephase ansonsten immer in der Schlussphase, begannen die Jungs von Philipp Kesser diesmal gleich damit. Oftersheim dagegen zeigte nach seinem ersten Heimsieg letzte Woche viel Selbstbewusstsein, beherrschte Ball und Gegner von Beginn an. 2:5 hieß es schon nach acht Minuten und die ansonsten in der Anfangsphase starke Deckung um Adel Rastoder und Wladi Kurotschkin bekam Oftersheims Besten Lukas Sauer überhaupt nicht in den Griff. Sechs gute HGS-Minuten zwischen der 14 und 20. mit einem 4:0-Lauf (Wirtz, Kurotschkin und Becker) sorgten für etwas Aufatmen auf den Bänken in der Stadtgartenhalle und den 8:8-Ausgleich. Doch die Gäste lassen sich die Butter nicht vom Brot nehmen, legen nach und gehen mit einer Überzahl (2 Minuten gegen Becker) und einer Drei-Tore-Führung (11:14) in die Pause.
Wer nun gehofft hatte, nach dem Seitenwechsel werde es besser, sah sich schnell getäuscht. Saarlouis fand weder Zugriff auf das intensive Laufspiel der Oftersheimer noch gute Lösungen in der Offensive. Oftersheim hielt seinen Vorsprung nicht nur, sie bauten ihn weiter aus. 13:17 (36.), 15:20 (42.) und 15:21 (44.) hießen die Zwischenstände, die die Stimmung in der Halle sichtlich trübten. Doch die Fans blieben lautstark, versuchten den Funken in die Mannschaft zu brüllen. Allein es half – noch – nicht. Auch nach 48 Spielminuten leuchtete eine klare Führung der Gäste (18:23) von der Anzeigetafel. Und als Adel Rastoder von den insgesamt unsicher agierenden Unparteiischen auch noch die rote Karte kassierte, war für die meisten der Drops gelutscht. Es ging in die Schlussphase, in der die HGS in den letzten Spielen nie die Kraft für eine Wende fand. Also hatten sich die Allermeisten in der Halle schon kopfschüttelnd und fluchend mit der Heimniederlage abgefunden. Keiner glaubte beim 19:25 (52:16 Min) mehr, dass da noch was gehen könnte – keiner ausser den Jungs auf der Platte.
Die nahmen – sinnbildlich gesprochen – „das Messer zwischen die Zähne“, agierten hinten auf einmal wesentlich aggressiver und offensiver und keine 14 Sekunden nach dem vermeintlichen „Todesstoß“ zum 19:25 knallte der jüngste Saarlouiser Marko Grgic das Leder in die Maschen, setzte den Startschuss für ein Finale-Furioso, wie es die Stadtgartenhalle lange nicht gesehen hat. Kapitän Philipp Leist und Tommy Wirtz vom Siebenmeter-Punkt legen nach: 22:25 (57.). Frank Schmitt sieht, dass seine Jungs den Faden verloren haben, nimmt die Auszeit, um den Lauf der Gastgeber zu brechen und bringt den siebten Feldspieler. Der Angriff bringt nix, Darius Jonczyk hält und Kapitän Philipp Leist markiert mit dem langen Ball ins leere Tor das 23:25. Noch sind 2 Minuten und 13 Sekunden auf der Hallenuhr. Die Gäste wirken jetzt völlig verunsichert, haben keine Traute mehr und geben den Ball erneut her. Tommy Wirtz nutzt seine Chance zum Anschluss-Treffer – 24:25.
Philipp Kessler hat die Auszeit-Karte schon auf den Zeitnehmer-Tisch gelegt, als seine Jungs erneut den Ball gewinnen und Tommy Wirtz ganz allein vor Gäste-Goalie Benedikt Müller auf den langen Pass wartet. Der Pfiff der Zeitnehmer stoppt das Spiel. Unglückliche Aktion vom Trainer oder glückliche Fügung? Am Ende spielt es keine Rolle mehr. Noch neun Sekunden Zeit für den Ausgleich. Kessler sagt an, was passieren soll.
Und der Entscheidungsspieler ist Marcel Becker, letzte Woche noch verletzt und jetzt der Punkt-Retter. Auf ihn geht der lange Pass von Lukas Hüller, er zieht zur Mitte, steigt hoch und zimmert den Ball 3 Sekunden vor dem Abpfiff ins lange Eck zum glücklichen 25:25-Ausgleich.
So richtig glücklich ist am Ende aber keiner: die Fans, die fast die gesamte Schlussphase standen, haben die schlechten 50 Minuten davor ebensowenig streichen können, wie Philipp Kessler. Das war keine gute Leistung, insofern ist der eine Punkt doch noch ein gewonnener Punkt. Oftersheim hat am Ende einen schon sicher geglaubten ersten Auswärtssieg noch vergeigt, das sorgte bei Frank Schmitt für Enttäuschung.
Und in einer Woche geht es schon weiter: Saarlouis muss erneut nach Pforzheim, diesmal zur TGS. Und da kann dann vielleicht auch Tom Paetow wieder mitmischen.
Statistik HGS: Schulz 6 Paraden, Jonczyk 7 Paraden, Wirtz 9/5, Grgic 4, Hüller 4, Becker 3, Leist 3, Thierry 1, Kurotschkin 1
Statistik HGO: Müller 9 Paraden, Sauer 6, Suschlik 5, Barthelmeß 5/2, Wahl 2, Krämer 2, Burmeister 2, Schleidweiler 2, Kern 1
Siebenmeter: HGS 5/5, HGO 2/2
Zeitstrafen in Minuten: HGS 10, HGO 10 (Adel Rastoder, rote Karte in der 48. Minute)