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Das persönliche Interview:

Heute mit Gilles Thierry

HG Saarlouis: „Wenn man ‚Gilles Thierry‘ bei Google eingibt, findet man auf den ersten Blick außer einer Spielanalyse und ein paar Spielerdaten nichts über dich. Ist das dein erstes (persönlicheres) Interview?“

Gilles: „Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich tatsächlich noch kein persönlicheres Interview in dieser Form gegeben habe oder es vielleicht so wenige Leute interessiert, dass etwas aus dem Internet rausgenommen wurde (lacht). Genau kann ich es nicht sagen.“

HG Saarlouis: „Dann haben wir einiges nachzuholen. Du hast im Alter von neun Jahren bei Pétange mit dem Handballsport begonnen. Wie kam es dazu bzw. welche Verbindung hattest du zum Handball?“

Gilles: „Davor habe ich – obwohl man es heute nicht mehr vermuten würde – Fußball gespielt (lacht). Im Laufe der Zeit wurde mir allerdings meine Heuschnupfen-Allergie zum Verhängnis und ich musste mich auf die Suche nach einer anderen Sportart machen.
Es klingt zwar ein bisschen langweilig, aber es war anschließend der klassische Weg, den viele Kinder genau so gehen: Ein Freund aus der Klasse hat mich mal zum Handball-Training bei Pétange mitgenommen, das war dann rückblickend der Beginn einer großen Liebe. Um ehrlich zu sein, kannte ich die Sportart Handball vorher gar nicht (lacht). Von daher bin ich froh, dass sich das damals so schnell und gut ergeben hat.“

HG Saarlouis: „Man könnte also sagen, du wurdest (gesundheitlich) zu deinem Glück gezwungen?“

Gilles: „Ja, kann man tatsächlich so sagen. Das sehe ich mittlerweile auch so. Wenn ich mir jetzt vorstelle bei Wind und Wetter auf dem Platz zu stehen, wo die Atmosphäre in der unteren Ligen auf dem großen Feld doch sehr verteilt und überschaubar ist, spiele ich dann doch lieber in einer gut gefüllten Handballhalle.“

HG Saarlouis: „Am Anfang war es bestimmt eine große Umstellung…?“

Gilles: „Ich konnte durch den Fußball schon viele sportartenübergreifende Grundfertigkeiten im spielerischen bzw. auch konditionellen Bereich erwerben und ich muss dazu sagen, dass die Mannschaft oder der Verein, in dem ich mit Handball angefangen habe, jetzt nicht allerhöchsten Ansprüchen genügte. Dadurch war ich eigentlich ziemlich schnell einer der besseren Spieler und somit mittendrin im Geschehen.“

HG Saarlouis: „Wie ging deine Entwicklung dann weiter?“

Gilles: „Ich konnte mich durch die vielen Spielanteile schnell entwickeln und dadurch auch für die Jugendnationalmannschaft Luxemburgs empfehlen. Vom Anfänger in die Jugendnationalmannschaft klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber bei uns gibt es ja dazwischen keine Stufe wie beispielweise hier die Saarauswahl.
Auf Vereinsebene bin ich dann mit 14 von Pétange nach Bascherage gewechselt und habe dort drei Jahre gespielt. In meinem letzten Jahr in Bascherage habe ich auch mein Debüt im aktiven Bereich gegeben.“

HG Saarlouis: „Ein Jahr später hast du dann bei den Red Boys aus Differdange angeheuert…“

Gilles: „Ja das ist richtig. Bei dieser Entscheidung haben zwei Dinge eine Rolle gespielt. Zum einen war die Situation in Bascherage so, dass auf meiner Kreisläuferposition ebenfalls ein junger, sehr talentierter Spieler vor mir war. Dadurch war meine Perspektive natürlich nicht die beste. Zum anderen hatte ich gleichzeitig ein Angebot von den Red Boys, die am Kreis (perspektivisch) Bedarf hatten. Diese beiden Punkte haben mich letztlich zu diesem Schritt bewogen.“

HG Saarlouis: „In Luxemburg herrscht – auch aufgrund des kleinen Spielerpools eine hohe Konkurrenzsituation. Hat man dir den Wechsel damals übel genommen?“

Gilles: „Die Bascherager Fraktion war natürlich nicht begeistert von meiner Entscheidung. Mir wurden da schon ein bisschen Vorwürfe gemacht, von wegen ich würde dem Verein in den Rücken fallen usw.. Es war für mich schon nicht einfach das zu hören oder zu fühlen. Zum Glück musste ich seitens der Mannschaft nur ein paar Gags über mich ergehen lassen, sodass die Geschichte im Großen und Ganzen relativ schnell erledigt war. Ich bin mir sicher, ich hätte meinen Weg auch in Bascherage gemacht, aber aufgrund meiner Entwicklung, die ich in Differdange genommen habe, bereue ich meinen Wechsel keine Sekunde.“

HG Saarlouis: „Am Kreis von Differdange wartete dann eine echte Legende auf dich…“

Gilles: „Absolut (lacht). Der damals schon 40-jährige Kroate Kresimir Perkovic war der Grund, warum Differdange mich unbedingt wollte. Ich sollte ihn mittelfristig ersetzen und den altersbedingten Umbruch auf dieser Position einleiten. Rückblickend waren diese Überlegungen der Vereinsführung völlig unverständlich, denn Kresimir spielt heute immer noch (lacht). Der Mann ist in ganz Luxemburg, aber vor allem auch in Differdange eine absolute Koryphäe. Ein Highlight. Die 66 trug er damals in Differdange aufgrund seines Geburtsjahres 1966 auf dem Trikot. Legendär war auch seine Cola-Dose an Spieltagen, aus der Niemand bis auf Kresimir trinken durfte. Weiß der Geier was da drin war (lacht).
Spielerisch war er ein regelrechter Fuchs und hat mir schon so manches mit auf den Weg gegeben. In der Kabine oder an der Theke konnte man ebenso viel Spaß mit ihm haben, auch wenn er es manchmal der Vereinsführung und den jungen Spielern etwas schwer gemacht hat (lacht). Ich habe auch heute noch ein sehr gutes Verhältnis zu ihm und freue mich immer ihn zu sehen. Es gibt viele gute Erinnerungen mit Kresimir, unter anderem auch die an eine Hochzeit in Bosnien, wo auch der alte Fuchs mal reingelegt wurde und den Kürzeren zog. Er ist schon ein Spieler, der mich im Handball geprägt hat.“

HG Saarlouis: „Wie kam die Option Deutschland für dich ins Spiel? Was bedeutet dieser Weg für deinen weiteren Karriereverlauf?“

Gilles: „Ich bin 2015 wegen meiner Freundin Anna, einer Saarländerin, zwischenzeitlich nach Merzig umgezogen und habe nach dem Umzug noch zwei Jahre in Differdange gespielt. Irgendwann wurde mir die Fahrerei einfach zu viel; zudem hatte ich einfach das Gefühl, dass es an der Zeit ist, etwas Neues auszuprobieren. Ich habe dann mein breites Netzwerk an Kontakten genutzt und über meinen alten Mitspieler aus Differdange-Zeiten, Daniel Altmeyer, den Weg zur HGS gesucht bzw. auch gefunden. Man kann also sagen, meine erste Liebe zog mich ins Saarland und meine zweite Liebe, die HGS, nach Saarlouis.
Sportlich gesehen hoffe ich natürlich auch, dass ich mich über die 3. Liga mit der HGS wieder für die Nationalmannschaft empfehlen kann. Neben der Ehre für sein Land zu spielen, ist es auch immer eine schöne Erfahrung, auf viele verschiedene Gegenspieler zu treffen.“

HG Saarlouis: „Welche Rolle spielt Anna für dich im Leben aber auch beim Handball?“

Gilles: „Das ist eine sehr schöne Frage. Anna unterstützt mich in zweierlei Hinsicht. Zunächst einmal bringt sie im Hinblick auf den Zeitaufwand, der durch den Handball entsteht, sehr viel Verständnis auf: Sei es das tägliche Training, die schwierige Urlaubsplanung oder auch die verplanten Wochenenden. Zusätzlich ist es aber auch so, dass sie mir mit Rat und Tat zur Seite steht. Sie ist eine enorme Menschenkennerin, was mir in diversen Situationen schon oft geholfen hat. Mittlerweile, das muss ich ihr lassen, hat sie sich über die Jahre eine Grundkenntnis im Handball angeeignet. Das führt dazu, – und das sage ich jetzt auch mit einem kleinen Augenzwinkern – dass wir hin und wieder auch über Handball diskutieren.“

HG Saarlouis: „Du giltst bei vielen im Verein als sehr kommunikativ und sozialbewusst. War das schon immer so? Wie hat dir das beim Handball/im Leben geholfen?“

Gilles: „Das stimmt. Positiv formuliert habe ich eine ziemlich kommunikative Art. Ich könnte stundelang über alles und nichts reden, manche würde auch sagen ‚Laberbacke‘. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich sehr schlecht im Alleinsein bin, das mag ich einfach nicht. Ich bin eher ein Gruppentyp. Das hat mir schon geholfen, mich in Mannschaften oder Vereinen schnell zu integrieren. Es bringt auch Vorteile in der Außendarstellung bzw. Wahrnehmung von Mitmenschen, was mir wichtig ist. Außerdem kommt mir diese Charaktereigenschaft natürlich bei meiner beruflichen Karriere zugute: Ich habe im Januar diesen Jahres mein Studium erfolgreich abgeschlossen und der Plan ist, ab September festangestellt als Grundschullehrer zu arbeiten.“

HG Saarlouis: „Gibt es ein Spiel, was dir (aus welchen Gründen auch immer) besonders in Erinnerung geblieben ist?“

Gilles: „Da gibt es sicherlich mehrere Spiele – angefangen vom Jugendbereich –, die mir immer noch sehr präsent sind. Unter anderem auch die schweren Spiele mit der Nationalmannschaft gegen die mit gestandenen Profis gespickten Slowenen oder die jüngsten Duelle im DHB-Pokal gegen den BHC bzw. die Rhein-Neckar Löwen. Wenn ich jetzt ein Spiel rauspicken müsste, dann wäre es sicherlich das Saisonfinale 15/16 in Luxemburg. Wir mussten das letzte Spiel gewinnen um Meister zu werden, waren aber fast die gesamte Partie in Rückstand; auch vier Minuten vor Schluss lagen wir noch ein oder zwei Tore hinten und der Gegner war in Ballbesitz. Dass wir das Ding unter dem enormen Druck noch drehen konnten, war natürlich richtig geil; auch aufgrund der anschließenden feucht-fröhlichen Party, wie man sich vorstellen kann. An diesem Abend sind wir noch ganz klassisch zum Abschluss bei den Mannschaftsbetreuer nach Hause. Ich weiß noch, wie ein Vorstandsmitglied über eine halbe Stunde auf der Toilette verschwand. Nachdem wir verschiedene Mutmaßungen angestellt haben, fanden wir ihn dann schließlich schlafend auf selbiger (lacht). Das ist mittlerweile schon zu einem Running Gag im Verein geworden. Für solche Tage mit solchen Erfolgen und Geschichten trainiert man natürlich tagtäglich.“

HG Saarlouis: „Vielen Dank für die interessanten Einblicke. Wir freuen uns, wenn wir dich wieder in der Stadtgatenhalle auf dem Parkett sehen können.“